Als ich mit dem Weinhandel begonnen habe, bin ich mit einem Freund in die Wachau gefahren, um mich bei den Winzern umzusehen. Er meinte, es würde wohl in der Welt wesentlich bessere Anbaugebiete geben, weil woanders das Wetter sonniger wäre. Tatsächlich war das zu einer Zeit (Ende der 90er-Jahre), wo kalifornische Weine im Trend waren, weil diese v.a. durch niedrigere Säurewerte bei den Konsumenten punkteten.
Dabei begann man schon damals in wärmeren Ländern, die Reben in kontinental beeinflusste und meist höhere Lagen zu pflanzen. Der Begriff „Cool-Climate“ kommt somit paradoxerweise aus Gebieten, wo ursprünglich eben kein kühles Klima war, sondern wo man „Inseln“ suchte, in denen kühleres Klima herrscht. Das waren z.B. Höhenlagen von über 1000 Metern.
Klimatisch betrachtet bedeutet „Cool-Climate“ starker kontinentaler Einfluss, also heiße Tage und kalte Nächte, im Winter gerne auch Frost, insgesamt eher trocken mit etwas 500-600 mm Niederschlägen pro Jahr. Im Frühjahr können Frostschäden die Ernte empfindlich schmälern. Dafür ist der Herbst noch recht mild und bestenfalls trocken („Altweibersommer“) was zu einer längeren Vegetations- und Reifephase führt, welche die Aromentiefe vorteilhaft beeinflusst. Im Sommer bekommen die Weine ihre nötigen Sonnen- und Wärmestunden, welche durch Terrassierungen in den Hanglagen noch optimiert werden. Die kühlen Nächte hingegen, sorgen für die frische Säure und Fruchtausbildung in den Weinen. Da sind uns Menschen die Reben nicht unähnlich: wir werden auch „lätschert“, wenn die Sommernächte nicht abkühlen.
Die klimatische Balance verhindert auch, dass Weine zu viel Zucker einlagern, was wiederum den Alkoholgehalt in Grenzen hält.
Bergketten oder Meeresströmungen können die „Warm-Kalt-Unterschiede“ positiv beeinflussen. Das ist z.B. bei den Weinen aus Spitz in der Wachau spürbar, wo das angrenzende Waldviertel durch den Spitzer Graben in der Nacht die kalte Luft ansaugt.
Die Weinstilistik von „Cool-Climate-Weinen“ ist bei den Weißweinen geprägt durch eine erfrischende Säure und eine große Aromen- und Fruchtvielfalt. Rote Cool-Climate-Weine zeichnen sich durch eine subtile Fruchtigkeit und eine strukturierte Säure aus.
Während bei den Verbrauchern das Geschmacksbild der weißen „Frucht-Bomben“ gesucht wird, stößt die Säure manche Rotweintrinker eher ab. Hier wird eher der vollmundig-weiche Gaumengenuss gesucht. So zumindest meine Beobachtung. Das führt dazu, dass manche Winzer die Weine so „tunen“, dass sie dem Geschmacksbild des „warmen Sees“ entsprechen. Somit entstehen auch in Cool-Climate-Zonen eher südländisch geprägte Rotweine.
Wo wächst nun CC-Wein. Ganz einfach: je nördlicher (in der nördlichen Halbkugel), desto kühler. In Italien kann man den Unterschied zwischen „Cool-Climate“ und warmen Gebieten in Bezug auf Weißweine gut nachvollziehen. Nicht umsonst sind auch innerhalb Italiens die Südtiroler und die Weine aus dem Friaul sehr begehrt.
In Deutschland ist die Mosel ein klassisches „Cool-Climate-Gebiet“, welches mit seiner typischen Stilistik Weltruf genießt. Bei den Badenser Weinen dagegen tut man sich mancherorts schon schwer, noch von cool climate zu sprechen.
Selbst in dem kleinen Weinland Österreich, gibt es einen (auch für den Laien) schmeckbaren Unterschied zwischen Steiermark, Wachau, Weinviertel etc (cool climate) und Burgenland oder dem Carnuntum. Ja, und selbst im Burgenland gibt es noch zwischen den Gebieten einen Unterschied. So hat paradoxerweise das Südburgenland die kühleren Aromen, da um den nördlich gelegenen Neusiedlersee ein wärmespeicherndes Kleinklima vorherrscht.
Bestimmte Weinsorten sind für den Anbau von „Cool-Climate-Weinen“ besonders geeignet. Allen voran der Riesling. Aber auch der Sauvignon blanc. Außerdem erhalten die weißen Burgundersorten (Chardonnay, Weißburgunder, Grauer Burgunder) in den kühleren Lagen ihre nötige Frische, um nicht zu plump zu werden.
Bei den Roten dürfte wohl der Pinot noir der „King-of-Cool-Climate“ sein. Denn guter Pinot sollte niemals schwer sein, sondern mit subtilen Fruchtaromen glänzen. Klassisch gemachter Blaufränkisch sollte auch immer eine CC-Stilisik aufweisen. Leider rutschen da mancher Winzer in die „Neue-Welt-Stilisik“ ab, was aus meiner Sicht nicht authentisch ist. Nebbiolo gehört an sich auch noch dazu; scheint aber aufgrund des Klimawandels und ähnlicher Stilistikfragen wie im Burgenland immer „wärmer“ zu werden. Der Sangiovese (Chianti) wächst zwar schon in südlicheren Gefilden, weißt aber aus meiner Sicht (aufgrund seiner Säurestruktur) eine deutliche CC-Stilistik auf.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle noch was zum Rotwein aus Cool-Climate-Regionen sagen: In der Jugend kann die vorhandene Säure im Verbund mit dem Gerbstoff noch irritierend wirken. Mit zunehmender Lagerdauer wird der Wein dann besser und besser. Die Säure und der Gerbstoff bindet sich ein. Damit bleibt der Wein lange „jugendlich“. Ein komplexer Gaumengenuss sind dann der Lohn für das lange Warten auf den Wein. Das gilt natürlich v.a. für die Top-Weine aus den Gebieten.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich es wichtig finde, dass der Wein die Gegend in der er wächst spiegeln sollte. Trotz Klimaerwärmung sind wir im deutschsprachigen Raum noch immer eine (für den Weinbau) kalte Klimazone. Wenn schon scheinbar klimatisch begünstigtere Zonen in kühlere Regionen ausweichen, sollten wir als klassisches „Cool-Climate-Gebiet“ unsere Stärken ausspielen und versuchen authentische Weine zu machen.