Vielleicht kennt Ihr das: Ihr fahrt im August in den wohlverdienten Urlaub. Am besten ans Meer und in den Süden. Weil da das Klima so gut ist. Schließlich müsst Ihr aber feststellen, dass Ihr die Hitze kaum ertragen könnt und froh seid, wenn ihr im klimatisierten Hotelzimmer Zuflucht finden könnt.
Der befreundete Winzer Johann Gisperg meinte einmal, dass es dem Weintrinker beim Wein trinken ähnlich erginge: am wohlsten fühlt er sich halt mit Weinen, die aus Breitengraden kommen, welche nahe den gewohnten klimatischen Verhältnissen liegen würden.
Nun ist Wein Geschmackssache und ich kenne (entgegen dieser These) Menschen, die sehr wohl „warme“ Weine a la Shiraz etc. bevorzugen. Ich hingegen bin Anhänger der Cool-Climate-Weine.
Absurderweise kommt der Begriff „Coole-Climate-Wein“ ausgerechnet aus der sog. „Neuen Welt“, die für eher üppige Weine bekannt ist. Ähnlich der ABC-Bewegung („Anything but Chardonnay), haben die Anhänger der Cool-Climate-Weine die überladenen Weine satt.
Stattdessen postulieren sie einen Stil, der mehr auf „Trinkfreude“, Feinheit, Subtilität und Eleganz setzt. Und der geringere Alkohol ist ja auch nicht gerade nachteilig. Weniger ist also MEHR.
In heißen Gegenden versucht man deshalb (wo es geht) nach oben zu gehen. Dabei sind die besten Voraussetzungen für Cool-Climate-Weine in Ländern mit eben eher kühlem Klima.
Vor ein paar Wochen (also Mitte März) bin ich an die Mosel gefahren, weil dort eine Veranstaltung des „Bernkasteler Rings“ stattfand. Ich fahre erst nachmittags los und die Sonne blendet mich während der Fahrt von links vorne. Heißt ich fahre in Richtung Nord-West. Doch obwohl die Mosel deutlich nördlicher liegt als unser Niederbayern, darf ich tags darauf feststellen, dass hier schon Bäume in der Blüte stehen, was bei uns erst ca. 2 Wochen später eintreten sollte.
Und tatsächlich: die Mosel ist das perfekte Gebiet für Cool-Climate-Weine. Die extrem steilen Hänge sorgen für eine gute Sonneneinstrahlung. Doch der größte Trumpf an der Mosel sind die Schieferböden. Die Reben scheinen teils aus nacktem Gestein zu wachsen. Die Wurzeln der Reben müssen sich deshalb weiter nach unten graben, um sich die nötigen Nährstoffe zu holen und gratis gibt’s durch die steinigen Lagen noch Mineralstoffe dazu.
Außerdem speichert der Schieferboden die Wärme des Tages. Der Rebstock hat also „warme Füße“. Andererseits kühlen die Nächte an der Mosel deutlich ab. Diese Kalt-warm-Amplitude“ sorgt für die tiefgründige und fein-würzige Aromatik der Moselaner.
Und jetzt kommt das Beste: Moselwein benötigen nur wenig Alkohol, um viel Geschmack in die Flasche zu bekommen.
Trockene Weine bewegen sich da eher zwischen 11 und 12 Prozent (was es z.B. in Österreich praktisch gar nicht mehr gibt).
Dabei sind trockene Weine gar nicht unbedingt moseltypische Weine. Wenn man ältere Winzer fragt, so bevorzugen sie die süßen Weine. Und auch international macht v.a. restsüßer Wein (z.B. Kabinett, feinherb, fruchtsüß) Furore. Denn Mosel-Rieslinge haben aufgrund ihrer nördlichen Lage eine deutliche Säure. Wird diese durch Restsüße abgepuffert, ergibt sich eine wunderbare Spannung in den Weinen.
Süße und Säure machen den Wein aber auch haltbar und so schmecken Moselweine eigentlich nach ein paar Jahren besser als in jungem Zustand. Die Lagerfähigkeit ist legendär.
Also: man kann von der Moselstilistik halten, was man will. Eines ist unbestritten: Sowohl die gigantische Landschaft und die Weine sind auf der Welt einzigartig. Jeder gut sortierte private Weinkeller sollte auch Moselweine liegen haben.